Stellungnahme zur Absage der Ausstellung „Das Jahr 1983“ in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD)
Die von der Forschungsabteilung der SKD eingeladene Kuratorin und Autorin der Ausstellung „Das Jahr 1983“, Dr. Zoé Samudzi, hat sich leider entschlossen, die Ausstellung in einem Raum des Albertinum kurzfristig nicht zu öffnen, und hat daraufhin ein umfangreiches Statement publiziert. Die SKD bedauern diese Absage. Das Projekt sollte die ambivalenten Solidaritätsbemühungen der DDR mit der Unabhängigkeitsbewegung in Namibia untersuchen und neue Forschungsergebnisse zum Völkermord in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika im Rahmen deutscher Kolonialgeschichte durch das Kollektiv Forensis/Forensic Architecture zeigen. Dr. Zoé Samudzi ist von uns aufgrund ihrer herausragenden wissenschaftlichen Expertise eingeladen worden.
Das für alle Seiten traurige Scheitern aller gemeinsamen Aushandlungsversuche zeigt, wie schwerwiegend, weitreichend, belastend und belastet das bearbeitete Thema, der Völkermord an den Nama und Ovaherero, in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, am Anfang des 20. Jahrhunderts, aber auch die komplexen, bis in die Gegenwart reichenden Konnotationen sind. Das Scheitern unserer Aushandlungen ist Ausdruck und Ergebnis auch von Ängsten, Missverständnissen und gegenseitigem Misstrauen – in einer Zeit, in der Kuratorinnen, Künstler und kulturelle Institutionen einem immensen Druck und Instrumentalisierungsversuchen aus unterschiedlichsten Richtungen ausgesetzt sind.
Als die Kuratorin uns die Inhalte der Ausstellung wenige Tage vor der Eröffnung vorgestellt hat, war die Ausstellung selbst noch nicht installiert. Nachdem die fertige Ausstellung leider erst am Abend vor dem Eröffnungstag besichtigt werden konnte, haben sich die SKD mehrmals mit Zoé Samudzi und weiteren Projektpartnern per FaceTime auszutauschen versucht, da inhaltlich motivierter Gesprächsbedarf vorhanden war. Etwa bezüglich der Opferzahlen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, aber auch in Bezug auf deutliche Differenzen hinsichtlich einer Kennzeichnung der „gegenwärtigen genozidalen deutschen Außenpolitik“ als „eng verbunden mit den Grausamkeiten des faschistischen Imperialismus“ in einem Instagram-Post der Kuratorin, welcher in direkten Zusammenhang mit der Ausstellung gerückt wurde.
Um die Ausstellung eröffnen und den Diskursraum weiten zu können, haben wir die Bitte geäußert, dass die Autorenschaft aller im Ausstellungsraum angebrachten Texte noch deutlicher und für das Publikum nachvollziehbar namentlich gekennzeichnet wird - eine Praxis, wie wir sie beispielsweise bei vergleichbar sensiblen und komplexen Inhalten im GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig anwenden. Dies ist den SKD im Sinne einer multiperspektivischen Verständnisweise besonders wichtig. Dies hat die Kuratorin nicht akzeptiert und – wie sich nun in ihrem Statement zeigt – bedauerlicherweise als grundsätzliche Diskreditierung ihrer wissenschaftlichen Arbeit gewertet.
Die SKD stellen den Menschen geschützte, gewaltfreie Räume zur Verfügung, in denen ein freier Meinungsaustausch möglich und ausdrücklich willkommen ist. Wir müssen aber auch darauf bestehen, Positionen und Äußerungen öffentlich kommentieren und ihnen gegebenenfalls entgegentreten zu können, die der demokratischen Grundhaltung der SKD entgegenstehen. Gegenüber Zoé Samudzi haben wir deutlich zu machen versucht, dass die SKD als staatliche Einrichtung nicht nur im Austausch mit vielen Herkunftsgesellschaften stehen und viele Restitutionen gemeinsam mit diesen Gesellschaften vollzogen werden, sondern dass wir darin auch vom Bund und vom Freistaat Sachsen maßgeblich unterstützt werden.
Leider kann der Ausstellungsraum „Das Jahr 1983“ nun nicht der Öffentlichkeit gezeigt werden. Die SKD haben bis zuletzt auf einen positiven Ausgang der Aushandlungsprozesse gehofft. Leider blieb für diese zu wenig Zeit und zu wenig Raum für persönliche Begegnungen. Wir entschuldigen uns aufrichtig für die Tonalität unserer Kommunikation, die bei Zoé Samudzi offensichtlich Verletzungen erzeugte. Ebenso möchten sich die SKD für das große Engagement der Kolleginnen und Kollegen des Albertinum, der Völkerkundemuseen in Leipzig und Dresden sowie der Forschungsabteilung bedanken, die zur Vorbereitung der Ausstellung beigetragen haben.
Wir wollen trotz des bedauerlichen Ausgangs dieses Projektes auch in Zukunft an derartig relevanten und komplexen Themen weiterarbeiten. Wir wollen das Scheitern als Chance nutzen. In einem intensiven Gespräch, an dem auch Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Gruppen Namibias teilgenommen haben, wurden unter anderem Stimmen laut, die sich gerade jetzt die Fortsetzung eines Austausches und darüber hinaus die Initiierung von Restitutionen wünschen. Wir wollten und wollen auch weiterhin jenseits der Unerbittlichkeit aktueller Polarisierungen die Möglichkeit eröffnen, gemeinsam an der Aufarbeitung schwerwiegenden Unrechts zu arbeiten und sensible und komplexe Themenbereiche an möglichst viele Menschen zu vermitteln – und zwar vor Ort in den Museen der SKD.
Staatliche Kunstsammlungen Dresden, 24. Juni 2024